Dienstag, 26. April 2022

Raus auf’s Land

Bis gestern hat mein Mobiltelefon nie richtig geladen. Morgens, nach einer ganzen Nacht am Strom war es nur 5-10% mehr geladen als am Vorabend. Irgendeine doofe Kombination von internationalem Adapter, Ladegerät und Ladeeinstellungen des iPhone. Nachdem ich gestern im Souvenir-Shop für nicht mal 10 Pfund ein UK-Ladegerät mit Kabel erworben habe und die Ladeeinstellungen am Telefon zurückgesetzt habe, funktioniert es endlich und mein Telefon hat morgens 100% Ladung. Phew!

Wir sind einfach „Reisefüdli“, wie man auf Schwiizerdütsch sagt. Wir können nicht einfach eine ganze Woche in der Stadt abhängen. Also geht’s heute raus aus der Stadt. Bloss wohin? Stonehenge? Näh.. die Steine sind uns sehr egal und nach 2 Minuten hat man’s ja vermutlich auch gesehen. Irgendein Castle? Nö, Schlösser und Burgen gibt’s auch bei uns in der Gegend genug. Die weissen Felsen von Dover? Ja! Sowas gibt’s bei uns nicht.

Wir fahren zum Bahnhof St. Pancras, von wo ein Zug ohne Umsteigen nach Dover fährt. Die Tickets sind nach Fahrzeit preislich gestaffelt. Wenn wir nach 9:30 Uhr fahren wird es sehr viel günstiger erklärt man uns am Fahrkarten-Schalter. OK, von mir aus, holen wir uns halt noch einen Kaffee und sparen dadurch locker um die 100 Pfund für die ganze Familie.

Wir besteigen einen Zug der Sourheastern, der fast leer ist. Später auf der Strecke steigen dann noch ein paar Passagiere zu, aber es bleibt insgesamt recht geräumig.

Die Landschaft, sofern man sie denn sieht, ist eher monoton. Grüne Felder und Wiesen, von Hecken durchsetzt, manchmal etwas Marschland. Saubere Scheiben gibt’s an dem Zug übrigens nicht.

Nach ungefähr einer Stunde sind wir am Meer. Jetzt dauert’s nicht mehr lange, bis wir in Dover sind.

Dover

In Dover suchen wir erst mal die Tourist Information, um zu erfahren, wo diese Cliffs überhaupt sind und wie man hinkommt. Nur schon die Tourist Information zu finden ist ein Abenteuer. Schilder sind ja sowas von überbewertet. Ohne Google Maps auf dem Mobiltelefon wären wir ziemlich aufgeschmissen.

Nach 15 Minuten Fussmarsch finden wir das gewünschte Tourist Office. Man händigt uns Karten und Prospekte aus und empfiehlt, doch zu Fuss auf die Klippen zu wandern. Danke, aber nein – wir wollen einen bequemeren Weg da rauf, wenn möglich. Vor dem lokalen Supermarkt gäbe es einen Taxistand, erklärt man uns. Da könnten wir eine Fahrt auf die Cliffs hoch buchen.

Der Taxifahrer ist ein Ureinwohner aus der Gegend und Quasselt die ganze Zeit auf uns ein. Der Dialekt ist allerdings zu grossen Teilen schlicht unverständlich. Hatte ich in den US-Südstaaten schon manchmal Mühe, gewisse Worte zu verstehen, geht es hier schon in die andere Richtung: Ich bin froh, wenn ich von einem ganzen Satz 2-3 Worte verstehe…

Die Fahrt dauert ca. 10 Minuten und kostet 6 Pfund. Wir geben dem Fahrer 10 Pfund, was dieser als Anlass sieht uns gleich noch etwas Tipps zu geben und die Gegend zu erklären. So kann man offensichtlich von hier an klaren Tagen sowohl die Südspitze Englands, als auch die Küste Frankreichs sehen. Das ist heute sogar der Fall. Es ist sonnig, klar und die Luft nicht diesig oder trüb. Fotografieren kann man diese Küsten mit dem Mobiltelefon allerdings nicht, dafür sind sie zu weit entfernt…

Wir machen uns auf den Weg und studieren erst mal die Karte.

Gleich unter uns, am Anfang des Wanderweges, befindet sich der Hafen von Dover. Der ist recht gross. Klar, wenn man das mit Rotterdam oder irgendwelchen Häfen in China vergleicht, ist das vermutlich nichts. Aber für uns als Binnenland-Indianer ist das schon ein recht krasser Bau.

Wie fast überall sind auch hier nicht viele Leute unterwegs. Der Weg ist bequem, es geht weder bergauf noch bergab.

Und nach einer Kurve sind die Cliffs plötzlich vor uns.

Es würde sogar ein Weg hinunter führen, und für die letzten Meter zum Strand hinunter gibt es extra eine Leiter. Für uns ist das nichts, aber wir entdecken Leute, die da runter wandern.

Es ist natürlich schön hier, aber das Hauptproblem ist halt: Wenn man oben steht, sieht man von den Cliffs selber eigentlich nichts mehr. Man müsste schon mit einem Boot draussen vor der Küste cruisen, um die Klippen aus einem anderen Winkel sehen zu können.

Nachdem uns klar ist, dass wir nicht mehr sehen würden, wenn wir weiter in Richtung Osten gehen würden, kehren wir um und beschliessen, zum Hafen hinunter zu wandern.

Unterwegs begegnen wir Ponys, die hier friedlich grasen.

Bevor wir die Wanderung zum Hafen antreten, stärken wir uns mit Baked Potatoes, heisser Schokolade und Kuchen.

Hafen

Der Weg zum Hafen runter ist ziemlich steil, dafür sehr direkt. Die uns entgegenkommenden Wanderer schwitzen denn auch ziemlich. Die Temperatur ist eigentlich warm, aber wenn der Wind bläst, braucht man trotzdem einen Pulli.

Unten angekommen, führt der Weg durch eine kleine Häuserzeile am Fuss der Klippen.

Am Strand innerhalb des Hafens brauchen wir eine kurze Pause.

Am westlichen Ende des Hafens gibt es ein typisches englisches Strandhotel, wie man es aus Agatha Christie Verfilmungen mit Hercule Poirot oder Miss Marple erwarten würde.

Speed

Wir durchqueren Dover abermals auf dem Weg zum Bahnhof und fahren zurück nach London. Unterwegs habe ich das Gefühl, der Zug sei schon relativ spritzig unterwegs. Als ich Esther darauf anspreche schätzt sie, dass wir sicher mit 130 km/h unterwegs wären. Das denke ich auch. Aber es wirkt einfach so verdammt schnell. Also lade ich mir kurzerhand eine GPS-App herunter, welche die Geschwindigkeit misst.

Wir sind mit über 220 km/h unterwegs! Das Ding in dem wir sitzen ist ein Hochgeschwindigkeitszug. Das war uns auf der Hinfahrt gar nicht aufgefallen…

Tatsächlich fällt mir erst beim Aussteigen am Bahnhof St. Pancras auf, dass auf dem Zug prominent „southeastern highspeed“ aufgemalt ist.

Am Bahnhof St. Pancras gibt es einen Gleis 9 3/4 Shop, wo man Harry-Potter Zeug kaufen könnte. Allerdings ist die Auswahl im Vergleich zu den Universal Studios recht klein und das meiste Zeug billiger Kitsch.

Vor dem Laden stehen die Leute allerdings Schlange. Nicht um reinzukommen, nö. Um sich mit dem Schild des Ladens fotografieren zu lassen… Tja.

Wir nehmen die U-Bahn zurück zum Picadilly Circus.

Weil wir gestern bei Pizza Hut eine so gute Pizza gekriegt hatten und nach dem ganzen Tag ohne richtiges Essen einen Bärenhunger haben, setzen wir uns abermals in eine Pizza Hut Filiale rein, dieses Mal aber in eine grössere.

Zurück im Hotel sind wir alle schlapp und die Füsse schmerzen. Wir hängen uns alle zusammen ins Bett und gucken uns am TV Guardians of the Galaxy 2 an.

Hier geht’s weiter!