Outro

Traum

Ist der Traum in Erfüllung gegangen? Ja. Definitiv. Und es war besser als erwartet. Ich hatte mit mehr langweiligen Strecken gerechnet, mit mehr Protest der Jungmannschaft, mit schlechtem Wetter, Pannen, Fehlbuchungen. Aber zu den Details in keiner speziellen Reihenfolge:

Route

Für einen Coast-to-Coast Trip gibt es ziemlich viele Möglichkeiten, eine Route zu legen. Zum Glück helfen uns da unsere Standard-Reise-Parameter. Einer davon ist: Wir fliegen wenn möglich direkt. Da sind die Start- und Zielpunkte New York und Los Angeles schnell gesetzt.

Warum wir trotzdem nicht von Los Angeles zurückfliegen? Weil Swiss da ihre neuen 777 einsetzt und die eine 3-4-3 Bestuhlung in der Economy haben. Bei aller Liebe, aber das ist verarsche pur, das tun wir uns nicht an. Edelweiss hingegen fliegt mit einer A330 von Las Vegas aus und bietet sogar eine Upgrade-Möglichkeit auf Economy Plus an. Für dieses Plus an Bequemlichkeit fahre ich gerne am Schluss der Reise nochmals von L.A. nach Las Vegas zurück. Da in der Gegend um Vegas die Miethäuser mit Pool günstiger und zahlreicher sind, fällt der Entscheid ab Las Vegas zurückzufliegen noch leichter.

Der Rest der Route ergibt sich dann aus Distanzen und zu erwartenden Fahrzeiten, Attraktionen am Wegesrand und „will-ich-schon-lange-mal-hin Locations“ wo man sonst eher nicht dran vorbeikommt, in meinem Fall z.B. der Canyon de Chelly.

Alles in allem sind wir mit der Route, so wie wir sie gefahren sind sehr zufrieden.

Klima

Das Klima hat uns schon etwas überrascht. Uns war klar, dass es in der Mississippi-Gegend heiss-feucht sein würde. Dass das aber auch auf die östlichen Gebirge (Shenandoah NP, Blue Ridge Parkway) und im Westen bis nach Arkansas zutreffen würde, das hätten wir nicht gedacht.

Die Gegend von Nashville bis Little Rock ist für den Hochsommer nichts. Wir kannten das subtropische Sommerklima von Florida und glaubten, es liesse sich ähnlich gut ertragen. Aber in Florida geht meist ein Wind an der Küste, der die Hitze erträglich macht. In dieser Gegend hingegen fehlt der Küstenwind und es ist schlicht nicht zum Aushalten.

Das Wüstenklima ab New Mexico war dann wieder angenehm. Heiss aber trocken. Damit kommen wir klar.

Schön zu beobachten war, wie die Vegetation über die Wochen hinweg kontinuierlich weniger wurde. Erst Bäume, Büsche, Gras, Moose, das volle Leben. Dann irgendwann nur noch Büsche. Und schliesslich die Wüste mit ihrem spärlichen Bewuchs.

Sprache

Ich spreche in meinem Job täglich Englisch. Es ist die offizielle Firmensprache. Dabei höre ich Englisch-Dialekte aus aller Welt. Singende aus Asien, genuschelte aus Irland, gedehnte aus Südamerika. Alles kein Problem.

Bisher hatte ich in den USA deshalb immer das Gefühl, alles zu verstehen und mit jedem sprechen zu können. Das ändert sich in den Südstaaten radikal. Ich krieg‘ eine Englisch-Verständnis-Krise: Von Asheville bis Amarillo muss ich immer zwei mal nachfragen und verstehe auch dann noch nicht alles. Kann ich vielleicht gar nicht so gut Englisch, wie ich dachte? Hab‘ ich im Urlaub vielleicht sogar mein Englisch verlernt? Ich fühle mich plötzlich unsicher, das nagt an meinem Selbstbewusstsein.

Doch kaum sind wir in Sante Fe, sprechen alle wieder ganz normal, es ist wie wenn man mich in Deutsch ansprechen würde. Keine Fremdsprache mehr, sondern wieder das vertraute Englisch.

Service

Die Service-Mitarbeiter in fast allen Branchen sind wieder einmal den Erwartungen gerecht geworden. Allerdings erwarten wir inzwischen nicht mehr viel.

Vor 25 Jahren, bei meinem ersten USA-Besuch war ich beeindruckt vom Service in den Restaurants und den Läden. Da waren die Amis uns einiges voraus in Sachen Freundlichkeit, Geschwindigkeit und Einsatz. Inzwischen merkt man an allen Ecken und Enden, dass es nicht mehr funktioniert. Die Freundlichkeit ist nur noch ein Prozess: In diversen Läden müssen die Kunden innerhalb von 5 Sekunden nach Betreten begrüsst werden. Nach dem „Hi, how can I help you“ ist dann aber Sense, weil helfen können die meist nicht.

Der Autovermieter-Typ gibt uns eine halbvolle, dreckige Karre und dazu noch die falschen Papiere. Das Restaurant Bedienpersonal ist so ineffizient, dass nur durch ausgeklügelte, standardisierte Prozesse überhaupt sichergestellt werden kann, dass das Essen jemals beim Gast ankommt. Flughafen-Check-Ins dauern eine gefühlte Ewigkeit.

Es gibt einige löbliche Ausnahmen, so z.B. die Servierkraft im Denny’s in Barstow oder der Alamo-Verkäufer am Dulles Airport. Die machen einen wirklich tollen Job. Aber vermutlich schlägt das Peter-Prinzip relativ schnell zu und die werden befördert bis zur Stufe ihrer Unfähigkeit. Schade.

Unterkünfte

Die Hotels sind allesamt tip top gewesen. Ein dreckiges, verqualmtes oder versifftes Zimmer haben wir nie bekommen.

Die schlechteste Unterkunft war wohl das „The View“ im Monument Valley. Und das trotz der fantastischen Aussicht. Das Zimmer war eng, die Klimaanlage laut, die Kommunikation vor dem Check-In nichtexistent und auch während des Aufenthalts nicht besonders freundlich. Man weiss da ganz genau, dass die Touristen sowieso kommen. Warum man bei einem Hotel dieser Grösse nicht eine zentrale Klimaanlage eingebaut hat, ist mir unverständlich. Das wäre effizienter und würde die Lärmbelastung in den einzelnen Zimmern massiv senken.

Es ist schwer, die beste Unterkunft zu benennen. Die Cabin in Asheville war der Hammer, aber für einen längeren Aufenthalt eigentlich zu teuer. Die Cabin am Grand Canyon war sehr nett und von den Hotels hat es uns in denen mit Aussenpool am besten gefallen. Da wären z.B. Nashville und Oklahoma City zu nennen.

Das Haus am Schluss war sowieso der Brüller. Sehr schön gelegen, mit allem Luxus ausgestattet und darüber hinaus eine sehr relaxte „Reste-Politik“ des Besitzers: Alles Essen und Trinken, welches man nicht braucht, darf man einfach im Kühlschrank oder in der Speisekammer lassen. Wir haben in der Speisekammer Alkohol vorgefunden, wir hätten damit einer Herde Elefanten eine Alkoholvergiftung verpassen können.

Wetter

Wir hatten Wetterglück. Meistens jedenfalls. Wir wurden in Amarillo, am Grand Canyon und zwischendurch auch immer mal wieder von einem kleinen Spritzer Regen erwischt. Aber eine richtig durchgehende Regenphase über mehr als 1-2 Stunden gab’s eigentlich nie. Da kann und will ich mich gar nicht beklagen, im Gegenteil. Top Wetter.

Erlebnisse

Es ist schwer, eine Reise von 3 1/2 Wochen mit Erlebnissen anzureichern, die allen gefallen. Vor allem wenn es in eine Gegend geht, die man selber nicht kennt.

Die Berge im Osten waren eher enttäuschend. Shenandoah, Blue Ridge Parkway. Halt einfach Wald und Overviews, zwischendurch mal ein Wasserfall. Das hätte ich auch im Kanton Aargau haben können. Aber wir haben es natürlich erleben müssen, sonst hätte mich das ewig gewurmt, nie da gewesen zu sein.

Am positivsten bleiben uns New York, Oklahoma City, das Kasha Katuwe Tent Rock National Monument und New Mexico als Staat in Erinnerung. Das hat natürlich immer auch mit Erwartungshaltung zu tun – von den Orten hatten wir gar nichts erwartet und wurden enorm positiv überrascht.

Reisen mit Kindern

Zwei Erwachsene finden immer irgendwo Platz, können überall essen und auch mal einen längeren Fahrtag runterreissen. Mit Kindern wird das ganze etwas schwieriger.

Kinder brauchen Platz. Platz im Auto und im Hotelzimmer. Ausserdem muss der Bewegungsdrang zwischendurch gestillt werden.

Die Platzbedürfnisse haben wir durch einen Riesen-SUV und eine entsprechende Hotelzimmer-Auswahl zum grössten Teil in den Griff bekommen. Den Bewegungsdrang haben wir durch regelmässige Fahrpausen auf Raststätten und durch Wanderungen in diversen Orten zu bändigen versucht.

Jonas isst nicht alles und es ist manchmal enorm schade, ein Restaurant links liegen lassen zu müssen, weil dort halt einfach nichts serviert wird, was dem Herrn schmeckt. Zum Glück servieren die meisten Restaurants für Kinder auch völlig Genre-Fremde Gerichte – so kriegt man z.B. in fast jedem Steakhouse auch Pizza für die Kids.

Die Kinder haben die Reise sehr gut mitgemacht. Klar, zwischendurch gibt’s auch mal Krach. Da findet Anna, sie wolle ihren Bruder nie mehr sehen. Und 2 Minuten später fragt sie ihn, ob er mit ihr spielen wolle. Umgekehrt natürlich genauso.

Die Tablets waren hilfreich. So haben die Kinder auf langweiligen Streckenabschnitten hinten im Auto spielen oder auch mal einen Film schauen können.

Dankbarkeit

Ich bin enorm dankbar, dass nichts passiert ist, weder vor noch während der Reise. Keine Unfälle, keine Verluste, keine Verletzungen. Alles im grünen Bereich. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich und ich kann nur sagen: Gott sei Dank!

Fazit

Es ist fast nicht zu glauben, aber im Augenblick habe ich keine Lust, in die USA zu fliegen. Das ist das erste Mal, dass ich ein solches Sättigungsgefühl erlebe. Das wird natürlich nicht für immer anhalten, aber aktuell fühlt es sich gut an.

Die Eindrücke, die Erlebnisse, das Gesehene muss erst mal ganz langsam ankommen und sich setzen. Es ist verdammt viel, das wir gesehen und erlebt haben und nur ein Bruchteil davon wandert in so einen Reisebericht.

Und gleichzeitig ist klar – wir haben wieder einmal nur an der Oberfläche gekratzt. Diverse Orte würden so viel mehr bieten. In New York könnte ich noch locker 2-3 Tage mit Programm füllen, in Washington ebenfalls. In Oklahoma City hätten wir länger gebraucht, ebenso in Farmington. Gewisse Orte wie Little Rock haben wir überhaupt nicht gesehen. Da haben wir nur geschlafen. Aber man muss Prioritäten setzen, wenn man vorwärts kommen will – und die haben für uns gestimmt.

Die Kinder haben manchmal ein Durcheinander und wissen nicht mehr genau, was wo war. Kunststück, wenn ich nicht alles dokumentiert hätte, würd’s mir genauso gehen. Gerade die Gegend in den Blue Ridge Mountains sieht überall so ähnlich aus, dass ich die Orte Waynesboro, Roanoke und Asheville vermutlich nicht mehr unterscheiden könnte.

Die Frage, die natürlich noch beantwortet werden muss: Würde ich das wieder so machen? Ja, absolut.

Ich muss aber auch sagen: Einmal Coast-to-Coast ist genug. Eine Wiederholung wird’s nicht geben, auch nicht mit anderen Start-und-Ziel-Orten. Aber diese eine Mal war’s wert und es hat sich mehr als gelohnt.